Interview mit Simone Fischer

Könnt ihr euch noch an Simone Fischer erinnern? Sie hat uns bei unserem ersten Stammtisch diesen Jahres im Januar besucht. Sie wollte reinschnuppern was sich hinter dem Projekt Machen-wir-was! verbirgt.

Frau Fischer ist die Beauftragte der Belange von Menschen mit Behinderung der Stadt Stuttgart. Da dieses Amt für unsere Mitglieder durchaus interessant sein kann, wollten wir genauer wissen was, sich hinter dem Amt von Frau Fischer verbirgt. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt, die wir euch nun veröffentlichen möchten:

 

  • Welches Amt führen Sie bei der Stadt Stuttgart aus und welche Aufgaben haben Sie?

 

Seit 1. Oktober 2018 bin ich Beauftragte der Landeshauptstadt Stuttgart für die Belange von Menschen mit Behinderung.
Die hauptamtliche Stelle wurde vom Gemeinderat neu geschaffen. Die Aufgaben sind im Landes-Behindertengleichstellungsgesetz geregelt.
Sie sehen zum Beispiel vor, die Interessen der Menschen mit Behinderung in Stuttgart zu vertreten und sich für diese Belange einzusetzen.
Es geht darum, bei deren Anliegen und Fragen zu vermitteln oder ihnen weiterzuhelfen, wenn sie nicht wissen, an wen sie sich wenden können.
Eine Aufgabe ist es auch, Impulse zu geben, mitzudenken und mitzuwirken, wie Inklusion in Stuttgart weiterentwickelt werden kann.

 

  • Wer war ihr Vorgänger?

Seit 2012 gibt es diese Funktion bei der Stadt Stuttgart. Sie war bis jetzt  ehrenamtlich besetzt. Ursula Marx ist meine Vorgängerin, Walter Tattermusch mein direkter Vorgänger, die sich beide sehr engagiert eingebracht haben. Ich freue mich, dass diese Aufgabe nun im Hauptamt ausführen kann.

 

 

  • Was macht Ihnen besonders Spaß bei der Arbeit?

 

Stuttgart ist eine tolle Stadt, die in den letzten Jahren eine gute Entwicklung genommen hat und in der gerade unheimlich viel passiert. Es entstehen neue Vorhaben, Projekte und Stadtquartiere. Das macht die Aufgabe sehr interessant. Mir ist es ein Anliegen, das Thema Inklusion an den unterschiedlichsten Stellen einzubringen. Es ist wichtig, dass es von Anfang an und viel früher mitgedacht wird. Es ist spannend, dass ich daran mitwirken kann, wie Inklusion sich in Stuttgart weiterentwickeln kann. Schließlich geht es nicht nur um Menschen mit Behinderung. Wir sind inklusiv, wenn alle Menschen bestmöglich am Leben in der Stadtgesellschaft teilhaben und sich einbringen können.  

 

  • Wer kann sich an Sie wenden?

 


In erster Linie sehe ich mich als Ansprechpartnerin der Menschen, die in unserer Stadt behindert werden. Für sie und deren Angehörige bin ich Interessensvertreterin, Ombudsstelle, sehe mich als Vermittlerin oder Wegweiserin. Es können sich Persönlichkeiten, Initiativen, Selbsthilfegruppen, Vereine an mich wenden, in denen sich behinderte Menschen engagieren oder die sich für dieses Thema engagieren (wollen). Die Funktion sieht auch vor, Mitgliedern der Verwaltung oder politischer Gremien in Stuttgart als Unterstützerin und Beraterin zur Verfügung zu stehen, wenn es um Planungen und Entscheidungen geht, die Menschen mit Behinderung betreffen.

 

  • Wie und wann erreicht man Sie am besten?

 

Mein Büro befindet sich im Stuttgarter Rathaus, direkt am Marktplatz im 1. Obergeschoss. In meinem Team der Geschäftsstelle arbeiten außerdem Frau Philipp-Soppa und Frau Steckkönig. Für ein persönliches Gespräch ist es gut, vorher einen Termin zu vereinbaren. Am besten telefonisch: 0711 / 216 – 60680 oder per Mail: info.bhb@stuttgart.de

 

 

  • Was muss sich in Ihren Augen dringend im gesellschaftlichen Miteinander ändern?

 


Mehr offene Ohren und Herzen für Menschen, die auf den ersten Blick vermeintlich anders sind. Mehr Leichtigkeit und Freude im Umgang miteinander. Mehr Menschen in entscheidenden Funktionen, die wirklich zuhören und sich in Situationen hineinversetzen, mit denen Menschen mit Behinderung täglich konfrontiert werden. Dann würden bestehende Barrieren besser erkannt und der nächste Schritt, diese abzubauen, wäre nur ein kleiner. Ich wünsche mir: Anstatt Gründe zu finden, warum etwas nicht klappt, müssen wir nach Wegen suchen und Möglichkeiten finden, um Barrierefreiheit und Inklusion zu verbessern, damit alle Menschen gleichberechtigt teilhaben und mitwirken können. Das sollte in einer Gesellschaft allen wichtig sein.

 

  • Wie weit ist Stuttgart Ihrer Meinung nach mit dem Thema Inklusion?

 


Die Teilhabe von Menschen, die behindert werden, ist seit einigen Jahren in den Fokus des Gemeinderats und der Stadtverwaltung gerückt. Im Jahr 2015 wurde der Stuttgarter Fokus-Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erarbeitet. Dort wurden Maßnahmen zusammengefasst, die seither schrittweise umgesetzt werden. Der Gemeinderat hat sich ein Leitbild Inklusion gegeben. Es wurde ein Beirat für Menschen mit Behinderung gegründet, Mitglieder sind Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen sowie Gemeinderäte aus allen Fraktionen. Ein Bewusstsein ist an vielen Stellen in der Stadtverwaltung vorhanden. Um die Entwicklung Stuttgarts zu einer inklusiven Stadt voranzubringen, hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn im städtischen Haushalt 2018/2019 ein „Inklusionspaket“ zur Beschlussfassung vorgeschlagen. Einige Maßnahmen gründen zum Beispiel auch auf dem Fokus-Aktionsplan UN-BRK. Zu den Schwerpunkten zählen die Verbesserung der Wohnsituation, die gleichberechtigte Teilhabe an Erholungs-, Sport und Freizeitaktivitäten sowie am kulturellen Leben, ein Zuschuss für den Umbau zu Rolli-Taxen

 

 

  • Welche spannenden Projekte betreuen Sie zurzeit?

 


Im Moment arbeiten wir an dem barrierefreien Online Stadtführer für alle. Nach und nach werden 5.000 Adressen in Stuttgart erhoben. Dabei handelt es sich um öffentliche Einrichtungen, Restaurants, Museen, Lebensmittelmärkte usw. Wir wollen einfach darstellen, wie diese zugänglich sind, z.B: wie viele Stufen sind vorhanden, wie hoch und tief sind die Stufen? Ist ein Aufzug vorhanden, wo befinden sich die Bedienelemente? Wie breit sind die Türen? Wie ist der Bodenbelag beschaffen? usw. Dazu suchen wir auch Erheberinnen und Erheber, die uns unterstützen. Interessierte dürfen sich gern bei mir melden. Ich befinde mich in Gesprächen mit unterschiedlichen Stellen um zu klären, wo Barrierefreiheit verbessert werden kann. Z.B. organisieren wir mit Vertretern der SSB und Behindertenverbänden eine Fahrt nach München, um uns dort zu erkundigen, wie Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer in München mit den Höhenunterschieden zwischen Bahnsteig und Stadtbahnwagen zurecht kommen. Hier müssen auch in Stuttgart an einigen Haltestellen noch bessere Lösungen gefunden werden. Am 6. Mai wird sich der Beirat für Menschen mit Behinderung neu aufstellen und es werden Vertreterinnen und Vertreter der Menschen mit Behinderung für den Beirat gewählt. Außerdem befinden wir uns in den Vorbereitungen der Haushaltsplanberatungen für den städtischen Haushalt 2020/2021. Damit Oberbürgermeister und Gemeinderat wieder Maßnahmen aufnehmen können, müssen sie zusammengeführt werden. Wenn ich einen Teil dazu beitragen kann, dass sich Barrierefreiheit und Inklusion mit Blick auf unsere Aufgaben, die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung, die Dokumente und Briefe, die wir veröffentlichen, unseren Internetauftritt und die Zugänglichkeit unserer Einrichtungen weiterentwickeln und verbessern, würde es mich freuen.

 

 

  • Haben Sie noch ein paar Worte an die Nutzer*innen von Machen-wir-was!?

 


Menschen mit Behinderung sind ein wichtiger Teil der Stadtgesellschaft. In Stuttgart leben rund 44.000 schwerbehinderte Menschen. Es ist mir wichtig, dass wir in unserer Unterschiedlichkeit noch mehr sichtbar werden. Das hilft, damit wir nicht nur über unsere Behinderung definiert werden. Niemand soll sich ausgeschlossen fühlen, alle sollen ganz selbstverständlich dazu gehören. Das gelingt am besten, wenn Menschen vor die Tür gehen, sich begegnen und offen sind. Das Projekt Machen-wir-was ist genau deshalb ein wichtiger Baustein. Deshalb ist es so wichtig, über das Projekt zu sprechen und Menschen zu finden, die Erlebnisse teilen. Es freut mich sehr, wenn sich viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit Behinderung in ihrer Stadt engagieren, mitwirken, ihre Stimme einbringen und dadurch sichtbar sind. Es gibt viele Möglichkeiten, die Belange von Menschen mit Behinderung einzubringen: Bei Veranstaltungen, bei Bürgerbeteiligungsverfahren, im Beirat für Menschen mit Behinderung, bei der Kommunal-, Regional- und Europawahl am 26. Mai… Inklusion ist unser aller Auftrag. Das geht nur gemeinsam.

Wir von Machen-wir-was! finden Frau Fischer hat mit ihren Worten zum Thema Inklusion, sehr gut die aktuelle Situation in der Stadt Stuttgart widergespiegelt. Wir danken ihr sehr für ihre Anregungen und hoffen, dass Du genauso viel Spaß mit dem Artikel hast.

Wir werden den Artikel des Weiteren auch auf unserer Homepage veröffentlichen.

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